Kater Streuner
Zum Andenken an die toten Katzen von Chorweiler
Die vergessenen Katzen von Köln 1997 und 2000
Folgende Geschichte erschien im Tätigkeitsbericht 1997 des Vereins, dem ich früher angehörte.
Wir finden, dass dieser Bericht treffend wie kein anderer sowohl die Situation der freilebenden Katzen als auch unsere Einstellung diesen Tieren gegenüber beschreibt. Aus dieser Einstellung heraus schöpfen wir wohl die Kraft und lassen uns nicht müde werden, diese Tiere ihr ganzes bestehendes Leben lang zu betreuen, auch wenn wir damit eine langjährige Verpflichtung eingehen, die wir sehr oft auch als Belastung empfinden. Allzu verständlich, meine ich, wir sind alle berufstätig, abends rechtschaffen müde, haben dann noch unseren Haushalt zu erledigen und unsere eigenen Tiere zu versorgen, die während des Tages auf Anrufbeantworter eingegangenen Telefonate zu beantworten und oft noch weitere Tierschutztermine, sei es draußen oder von zuhause aus, wahrzunehmen. Trotz alledem würde keiner von uns, der seit Jahren eine Futterstelle betreut, zulassen, dass die Tiere umsonst auf uns warten.
Ich erinnere mich, dass sich vor einiger Zeit durch ein Mißverständnis bei der Terminabsprache tags darauf herausstellte, dass die Futterstelle, von der gleich berichtet wird, am Tag vorher nicht versorgt worden war. Ich habe mir noch Tage später ausgemalt, wie die Tiere hungrig auf uns gewartet haben, und es wurde später und später, und niemand kam, was mag wohl in den Katzen vorgegangen sein, die seit nunmehr vier Jahren täglich ihr Futter von uns erhalten? Diese Vorstellung hat mich ziemlich lange verfolgt.
Den wenigstens von uns ist es möglich, täglich draußen eine Futterstelle zu versorgen, alleine und ohne Hilfe, zumal kaum eine Futterstelle direkt vor der eigenen Haustüre liegt. Er mag zwar die Verantwortung für diese Stelle tragen, aber ohne Hilfe und ohne jemanden, der einspringt und ihn einmal vertritt, ist es kaum möglich. Das soll an dieser Stelle ganz bewußt erwähnt sein, insbesondere für Tierfreunde, die diese Zeilen lesen und gerne helfen würden. Bitte lassen Sie sich nicht durch die oben erwähnte Verantwortung abschrecken, wir freuen uns auch dann über Ihre Hilfe, wenn Sie bei Bedarf einmal einspringen wollen, oder nur einen bestimmten Tag in der Woche übernehmen können. Auch das entlastet uns bereits ganz wesentlich.
Die vergessenen Katzen von Köln (1997)
Die „vergessenen Katzen von Köln“ - so wurden vor einigen Jahren einmal in einem Zeitungsartikel die freilebenden , ausgesetzten, scheuen, verwilderten, streunenden Großstadtkatzen genannt, die versteckt in Schrebergärten, Fabrikgeländen, Friedhöfen oder Schrottplätzen ihr schweres, elendes Leben fristen und für die manche plädieren, sie nicht zu füttern, sondern sie zu ignorieren, sie sich selbst zu überlassen, damit nur die stärksten Tiere überleben.
Diese Aussage scheint vielleicht verständlich für diejenigen, die sich bisher nicht mit der Thematik befaßten, oder für diejenigen, die die Verantwortung für die ärmsten der armen Tiere scheuen. Für diejenigen jedoch, die sich der Verantwortung stellen, nehmen die scheuen, verwilderten, namen-losen Tiere Gestalt an. Sie lernen sie kennen, weil sie sie täglich sehen, indem sie Futterstellen und Schlafplätze einrichten und sie zwecks Kastration einfangen. Sie lernen sie zu unterscheiden, plötzlich sind sie nicht mehr namenlos.
Da ist ja wieder das Mütterchen, die stets besorgte schwarzweiße Mutterkatze mit der verwegenen Zeichnung im Gesicht und dort der Vater, hochbeinig und schwarz, der immer die Nähe seiner Gefährtin und deren Nachwuchs sucht.
Die Große Nase, mit einem großen schwarzen Fleck auf der weißen Nase, der einzige Über-lebende seines Wurfes, immer sehr vorsichtig und zurückhaltend. Seine Geschwister, das Püppchen, zierlich und vornehm , die Kleine Nase, mit dem kleinen schwarzen Fleck auf der weißen Nase und der Grauschwarze, sind seit langer Zeit verschwunden, hoffentlich hatten sie einen schnellen, leichten Tod. Der letzte Wurf war besonders entzückend. Leider brachte das Mütterchen ihre Kinderschar zu spät mit zur Futterstelle, als dass man sie noch hätte zähmen können. Da war das Katerchen, schwarzweiß wie alle und ebenmäßig gezeichnet, der Streuner, der an einer anderen Futterstelle zwecks Kastration eingefangen wurde, weil er gern streunt und selten präsent ist, das Brüderchen vom Schreihals, der aussieht wie mein eigener Kater mit schwarzem Gesicht und weißem Figaro-Bart, und nicht zuletzt unser Liebling, der Schreihals, der als Winzling ständig schrie, soweit sein Mütterchen außer Sichtweite war, das kleinste im Wurf, noch heute zierlich und fein. Freudig kommt sie uns entgegen, sobald sie unser Auto erkennt. Endlich Futter!! Schreihals wälzt sich entzückt auf dem Boden, spring übermütig neben uns her, wenn wir mit den gefüllten Näpfen zur Futterstelle gehen und bei den Schlafhäusern nach dem rechten sehen.
Wir machten uns große Sorgen, als Schreihals 2 Tage verschwunden war. Wir kennen die Katzen, schließen sie in unser Herz und werden ihr Schicksal nie erfahren, wenn sie plötzlich wegbleiben. Hat man sie vergiftet, überfahren, erschossen, hat man Hunde auf sie gehetzt? Was ist aus Nabelbruch geworden, der schwarzen Katze, deren Nabelbruch bei der Kastration mit operiert wurde. Eines Tages war sie da und wurde von der Katzenfamilie freundlich aufgenommen. Seit länger als drei Monaten ist sie jedoch verschwunden.
Die „vergessenen Katzen von Köln“ sind Einzelschicksale wie die oben beschriebene Katzenfamilie, die im Kölner Norden lebt; jede einzelne ein eigener Charakter und individuell gezeichnet. Sie haben nur das Pech, nicht in einer Wohnung geboren zu sein, wo man sich liebevoll um sie kümmert. Sie zeigen jedoch ihre Dankbarkeit für ihr Futter, ihren warmen Schlafplatz und unsere freundlichen Begrüßungsworte ebenso deutlich wie unsere Stubentiger, die uns abends freudig begrüßen, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen, mit dem einzigen Unterschied, dass sie sich nicht streicheln lassen. Durch die Betreuung solcher Katzenbestände fällt eine neu hinzugekommene Katze sofort auf, und nicht selten stellt sich heraus, dass diese ausgesetzt oder entlaufen ist. Oft kann sie dann ihrem Besitzer zurückgegeben oder in gute Hände vermittelt werden.
Wer hier von „natürlicher Selektion“ spricht, macht es sich sehr leicht. Mit Natur hat dieses Großstadtkatzenelend heutzutage nichts mehr zu tun, sondern ist ein Resultat der Verantwortungslosigkeit unserer Wegwerfgesellschaft.
Auch das Mütterchen -oder aber ihre Mutter oder Oma - hatte einmal ein solch verantwortungs-loses Zuhause ohne Zukunft. So und nicht anders entstehen die vergessenen Katzen von Köln und anderen Großstädten. Füttert man sie nicht, ist das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert, von einem Schrottplatz auf den nächsten Friedhof - auf der Suche nach Nahrung.
Diese freilebenden Katzen zu kastrieren, sie wieder an ihren angestammten Platz, der ihr Zuhause ist, zu entlassen, weil sie nicht vermittelbar sind, ihnen ihre Gesundheit zu erhalten mit einer täglichen Ration guten Futters und ihnen einen warmen Schlafplatz im Winter zur Verfügung zu stellen ist uns ein Bedürfnis - für solch liebenswerte Geschöpfe wie das besorgte Mütterchen, den stets gutgelaunten Schreihals oder die vorsichtige Große Nase.
Die vergessenen Katzen von Köln (2000)
Was ist aus ihr geworden, aus der oben beschriebenen Katzenfamilie im Kölner Norden, die so lange, gut von uns versorgt, harmonisch und sozial zusammenlebte? Mit großer Bitterkeit und tiefem Schmerz haben wir wieder einmal erfahren müssen, welch verabscheuungswürdige Einstellung Menschen Tieren gegenüber haben können, dass die Tiere den Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind und dass es die Menschen sind, die willkürlich und erbarmungslos über Leben oder Tod unserer Mitgeschöpfe entscheiden.
Im Jahr 1998 verschwand während eines zweimonatigen Zeitraums von einem Tag auf den anderen eine Katze nach der anderen. Unmerklich anfangs, uns fiel auf, dass wir die Große Nase einige Tage nicht mehr gesehen hatten, nun gut, freilebende Katzen sind größeren Gefahren ausgesetzt als unsere behüteten Wohnungskatzen, sicher ist ihm etwas passiert, dem armen Kerl.
Dann fehlte plötzlich das Brüderchen vom Schreihals. Das Mütterchen begann, sich nur noch sporadisch sehen zu lassen, und dann beobachteten wir, wie das Katerchen uns schreiend vor Hunger entgegenlief und sich trotzdem nicht mehr ins Gebüsch an die Futterstelle traute, wir mußten ihn auf dem Fußweg füttern und er lief plötzlich panisch hin und her auf der Suche nach Deckung, als er fremde Stimmen hörte. Nach diesem Vorfall ward er nie wieder gesehen. Es war offensichtlich, dass sich das Grauen - in welcher Form auch immer- direkt an der Futterstelle abspielte. Wir zerbrachen uns den Kopf und fragten uns, was da wohl passierte. Tierfänger für Labore? Nein, die Katzen sind scheu, lassen sich nicht anfassen, außerdem tauchen Tierfänger wie aus dem Nichts auf, fangen alles, was sie kriegen können und verschwinden wieder, die kommen nicht einmal wöchentlich und fangen jedes Mal eine einzelne Katze. Tierfänger für Rheumafelle? Hm, die müßten dann schon mit Katzenfallen ähnlich wie unseren arbeiten, oder mit Fangeisen, und schlagen die gefangenen Tiere dann tot, ähnlich wie die Pelzjäger in Rußland oder Kanada. Aber kommen sie jede Woche für eine einzelne Katze? Uns fiel schließlich auf, dass meist nach den Wochenenden eine Katze fehlte.
Am wahrscheinlichsten erschien uns dann ein Hinweis, dass angeblich Kinder beobachtet hätten, wie Osteuropäer, die in den nahen Hochhäusern leben, Katzen in Säcken fingen für ihren Sonntagsbraten. Dies hatten wir schon vorher gehört und als Phantasie abgetan, schließlich sind es scheue Katzen, die wir mit viel Mühe und großem Zeitaufwand in Fallen gefangen haben zwecks Kastration, schier unmöglich, diese Tiere „eben mal in Säcke zu stecken“. Aber vielleicht sind sie mittlerweile auf diese widerlichen Tellereisen oder sonstige, uns unbekannte Scheußlichkeiten umgestiegen? Oder sind es Kampfhundehalter, die ihre Tiere auf unsere Katzen hetzen? Aber wir denken, die Katzen haben eine große Chance zu entkommen, wendig wie sie sind, gegen Bäume und dichtes Gebüsch sind Hunde machtlos. Wir wissen es bis heute nicht. Wir hingen Zettel auf mit der Bitte um Hinweise (sie waren bereits nach Stunden abgerissen) und wir befragten Anwohner. Niemand hat etwas beobachtet oder gehört, kein Katzengeschrei, kein Hundebellen, keine Schüsse. Niemals haben wir eine tote Katze gefunden. Sie verschwanden einfach spurlos.
Wir überlegten verzweifelt, wie wir den Rest der Katzen schützen können. Leider vergeblich - es gibt keinen Schutz. Dann war einige Zeit Ruhe. Etwa drei Wochen geschah nichts. Doch dann verschwand unser geliebter Schreihals - und dies ausgerechnet zu der Zeit, als wir überlegten, ob gerade diese entzückende Katze nicht doch eine Chance hätte, zahm zu werden, obwohl draußen geboren und bereits zwei Jahre alt. Zu spät - wir machten uns Vorwürfe und wurden regelrecht krank vor Traurigkeit.
Seit zwei Jahren ist nichts mehr passiert. Die wenigen überlebenden Katzen sind unbehelligt geblieben.
Heute ist die Situation so, dass sich an der angestammten Futterstelle lediglich noch der Vater befindet sowie der später zugelaufene Brustfleck, eine zierliche schwarze Katze mit weißem Brustfleck. Als sie auftauchte, schätzten wir sie auf etwa vier Monate und wollten mit dem Kastrieren noch ein wenig warten, weil sie so klein war. Nachdem sie auch nach einigen Monaten noch so klein war, fingen wir sie ein, und beim Tierarzt stellte sich heraus, dass sie etwa zehn Jahre alt ist und schon vor Ewigkeiten kastriert wurde. Mütterchen tauchte anfangs noch sporadisch auf, und blieb später ganz weg. Das mag daran liegen, dass sie und Brustfleck keine Freundinnen wurden, wir hoffen sehr, dass sie irgendwo eine andere Futterstelle gefunden hat.
An der zweiten Futterstelle lebt eine sehr scheue Tigerkatze. Sie bescherte uns dieses Frühjahr dreifachen Nachwuchs, der eingefangen, gezähmt und vermittelt wurde. Die Mutterkatze selbst stellt uns auf harte Geduldsproben. Sie gehört zu den sturen! oder schlauen? Tieren, die nicht im entferntesten daran denken, in die Falle zu tapsen. Sie ist sehr erkältet, gerne würden wir sie kastrieren lassen und Gesundpflegen, aber diese Chance gibt sie uns nicht. Wenn sie nicht noch Einsicht zeigt, beschert sie uns nächstes Frühjahr vielleicht den ersten 2001-er Nachwuchs. Welche Freude!
Streuner
Erinnern Sie sich noch an unseren Streuner? Auch er war eines Tages verschwunden. Zu unserer großen Freude tauchte er Monate später wieder auf. Das Streunen hat ihm wohl das Leben gerettet. Er begrüßte uns ab da genauso begeistert wie früher seine Schwester Schreihals. Und blieb da. Wir brauchten nicht einmal die Katzenfalle. Ich übte ein paar Tage, ihn kurz hochzunehmen und wieder abzusetzen und bald brachten wir einen großen Kennel mit, und -schwupp- wurde er ein bißchen höher genommen und in den Kennel geschubst, bevor er wußte, wie ihm geschah.
Streuner wurde von unserer Pflegestelle Elke Bovi geduldig und liebevoll gezähmt. Heute ist er absolut zahm, total verschmust und besteht nur aus Liebe. Es ist wie ein Wunder, dass ein draußen geborener Kater, der seine ersten beiden Lebensjahre streunend draußen verbracht hat, so ein zufriedener Wohnungskater geworden ist. Zudem ist er total sozial und hat während des Sommers, als auf der Pflegestelle ein Babywurf nach dem anderen aufgenommen wurde, sämtliche Katzenbabies unter seine Fittiche genommen. Ehrensache, dass er nach der Vermittlung in eine sehr liebevolle Stelle auch einen kleinen Gefährten an seine Seite bekam.
Als Wohnungskater braucht man natürlichen auch einen anständigen Namen. So ist aus unserem schwarzweißen Streuner heute der Peter geworden. Unser Foto zeigt ihn in seinem heutigen Zuhause bei seiner Katzenmutter Inge Zörner.
Elisabeth Bundt