Picasso und Rasputin

img0150Abgabe aus Zeitmangel, die Geschichte von Picasso und Rasputin

 
Wöchentlich inserieren wir unsere Katzen, die aus dem ein oder anderen Grund ein neues Zuhause suchen. Über eines dieser Inserate bekamen wir einen Anruf aus Köln-Ehrenfeld, nicht aus Interesse an einer Katze, sondern mit dem Wunsch, 2 Perserkater abzugeben.
Die beiden wurden als reinrassige Katzen mit Stammbaum angepriesen, die man ja „eigentlich“ noch verkaufen könne, was man aber nicht wolle. Man habe durch einen Krankenhausaufenthalt „etwas wenig Zeit“ für die Tiere gehabt, wodurch die Fellpflege „ein wenig“ vernachlässigt wurde. In gute Hände sollen die beiden kommen und zusammenbleiben, was für uns bei einem Katzenpaar, das zusammen lebt, selbstverständlich ist. Kratzbaum und Toiletten wurden uns auch großzügig zugesagt.
Nach zwei weiteren Telefonaten stand der Termin zur Übernahme der beiden fest. Zu uns bringen wollte man die Kater nicht und kommen sollten wir, wenn die Kinder nicht im Hause sind, weil „die halt so an den Tieren hängen“. Sonntags am frühen Abend fuhr ich also nach meiner „Fütterungstour“ begleitet von einem Vereinsmitglied in die Wohnung des Ehepaares E. auf der Äußeren Kanalstraße.
Bereits beim Betreten der Räumlichkeiten hatte ich eine starke Ahnung, was mich weiter erwarten würde. Nicht, dass ich besonders penibel bin, aber Dreck kann ich halt doch erkennen. Und es war einfach alles irgendwie verwahrlost und schmutzig. Von wegen keine Kinder da, es war der reinste Volksauflauf. Das Ehepaar E., die beiden Kinder, ein befreundetes Ehepaar, das die Kater auch schon mal hatte, dann aber wegen einer „Katzenstreuallergie“ wieder an die Besitzer zurückgegeben hatte.
 
Picasso, der schwarze Perser, saß auf einem kleinen Kratzbaum, der irgendwo lieblos in der Ecke verstaut war. Ihn nahm ich zuerst und setze ihn in den Transportkorb, wobei mir auffiel: Der Kater war patschnass, man hatte an ihm herumgeschnibbelt und er war an Schwanz, Bauch und Beinen voller Knoten. Auf mein Befragen wurde mir mitgeteilt, er wäre in die Wanne gefallen. Ich hatte eher den Eindruck, er hatte sich vollgemacht und man hat ihn kurzerhand abgeduscht und war zu faul oder zu unwissend, um ihn hinterher trocken zu fönen. 
Rasputin, der rote Perser, größer als sein Halbbruder und auch extremer auf Perser gezüchtet, saß auf der Küchenbank und ließ sich ebenfalls ohne große Probleme nehmen. Ich nahm ihn auf dem Arm und setze ihn in den Transportkorb wobei mir augenblicklich durch den Kopf schoss „mein Gott, wo ist denn der Kater unter all dieser Fellpappe?“ 
Inzwischen schaute auch Hannelore, die so etwas ja noch nie gesehen hatte etwas irritiert. Frau E. teilte dann mit, Rasputin wäre schon etwas sehr verknotet und sie wolle sich an den Kosten für das Scheren beteiligen. Ich setzte den Abgabevertrag für die beiden auf und man übergab mir die Impfpässe (abgelaufen natürlich) und die beiden Stammbäume. Sogar die Kaufquittung gab man mir mit.
Frau E. erklärte sich bereit 50,00 DM Zuschuß für das Scheren von Rasputin an den Verein zu zahlen. Aber heute nicht, da man gerade keine 50,00 DM zur Hand habe. Man werde es überweisen, so hörte ich wohl, doch allein mir fehlte der Glaube. Zugegeben, ich hatte auch nichts anderes erwartet. Von den beiden Katzenklos gab man mir den alten vergammelten mit, den neuen behielten die E’s da. Bereitwillig wurde mir ebenfalls der Rest an Katzenfutter übergeben. Es handelte sich um einen 3 kg-Sack Brekkies, der noch 2 Fingerbreit gefüllt war. Na toll, dachte ich, jetzt kannste auch noch das Altpapier hier entsorgen.
 
Hannelore und ich verstauten also die beiden Kater samt Katzenklo und Kratzbaum (dieser war, wie sich dann herausstellte, von einer Kolonie Flöhe bevölkert, wie übrigens die Kater auch) im Auto und machten uns auf zu unserer Katzenpflegestelle Elke Bovi. Dort angekommen versorgte Elke erst einmal die beiden mit Futter und begutachtete den Zustand. Total verfilzt, voller Flöhe und auch nicht gerade gut im Futter war die erste Feststellung. Augen und Nase des roten Persers waren verschmutzt. 
Es hatten sich regelrechte Filzplatten auf seinem Körper gebildet. Wir hielten es für das Beste wenn Rasputin vom Tierarzt geschoren wird, weil wir damit rechneten, daß dies ohne Narkose nicht machbar sei. Picasso, der schwarze, sei nicht ganz so schlimm dran, den könne sie selbst scheren sagte uns Elke Bovi.
Die beiden stellten sich als total unkomplizierte und ausgesprochen verschmuste liebe Kater heraus, die weder verstört noch verängstigt auf die neue Umgebung reagierten und auch direkt Futter aufnahmen. Wir fertigten einige Fotos und ließen sie dann erst einmal in Ruhe, um sich weiter vertraut zu machen. 
 
Rasputin wurde von Elke am nächsten Tag direkt in die Tierarztpraxis verbracht. Es bedurfte noch nicht einmal einer Narkose, um den Kater zu scheren. Er war sanft und lieb wie ein Lamm und ließ die ganze Prozedur über sich ergehen. Was übrig blieb, war ein wirklich trauriger und peinlicher Anblick. Bis auf die Beinchen, den Kopf und den halben Schwanz waren alle Haare weg und auf der Haut konnte man die beginnenden Ekzeme sehen. 
Ebenfalls kam zum Vorschein, wie dünn das Tier wirklich war. Es war ein echtes Trauerspiel. Elke cremte den Körper und besorgte Spezialfutter für Haut und Fell.
Picasso wurde ebenfalls durch Schur von seinen Knoten befreit, wobei er hinterher zwar auch merkwürdig aussah aber noch „Fell am Leib“ hatte. Wir stellten uns darauf ein, dass die beiden einige Zeit bei uns verbringen würden, denn so waren sie fast nicht vermittelbar.
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Und dann kam alles ganz anders:
Ein Ehepaar, dass sich für einen kleinen schwarzen Kater interessierte, wurde von der Tierarztpraxis Hüby/Wüstenberg an Elke Bovi verwiesen und vereinbarte sofort einen Termin mit Elke. Die beiden hatten seit über 10 Jahren ein Perserpaar, und zwar Mutter und Sohn. Die Katze war vor kurzem verstorben und sie suchten jetzt für den Kater einen Kameraden. 
Picasso und Rasputin zeigten den berühmten 7. Sinn, den man Katzen immer nachsagt und schmissen sich regelrecht auf das Ehepaar und ließen nicht mehr locker. Was soll ich weiter dazu sagen? 
Vielleicht war es wirklich nur Zufall, dass sich die Frau schon immer eine rote und er schon immer eine schwarze Katze gewünscht haben, vielleicht war es auch nur Zufall, dass vor über 10 Jahren ihre alte Perserdame im gleichen Zustand war wie jetzt unser Rasputin, vielleicht war es Zufall, dass sie, obwohl sie in Köln-Mitte wohnen zu einem Tierarzt nach Kalk gehen und der sie ausgerechnet dann zu uns schickt. Vielleicht hatten aber auch Picasso und Rasputin einen Katzenschutzengel, der dem Elend der beiden endgültig ein Ende setzen wollte.
 
Ich habe nach ca. 14 Tagen die Perser im neuen Zuhause besucht und dabei Rasputin das erste Mal geschoren gesehen und Picasso in seinem „Punkerverschnitt“ den er jedoch erhobenen Hauptes trug. Ricardo, so heißt der graue Perser des Ehepaares, ist einer der gepflegteste Perser, den ich je gesehen habe, aber, so meinte Frau W. kommen sie in ein paar Monaten wieder, dann sind die beiden genauso schön. Sie cremen Rasputin ein und pflegen seine Haut und sein Fell mit weichen Babybürsten.
 
Es gibt Futter vom Feinsten, Nase und Augen werden freigehalten von Tränen und Schmutz. Mitten im großen Wohnraum steht ein riesiger selbstgebauter Kratzbaum mit großen Sitz- und Liegeflächen und Höhlen und Spielzeug. Die Wunden und Schorfstellen auf der Haut von Rasputin waren bereits gut verheilt und ein leichter Schimmer von nachwachsendem Fell war zu sehen. Die beiden fühlen sich wohl und mit dem Hausherrn Ricardo waren auch die Anfangsschwierigkeiten ausgetragen.
Jeden Tag 15 bis 20 Minuten Fellpflege, das muss schon sein, so sagt Herr Weiser, einmal pudern pro Woche und dann kann erst gar nichts so verknoten. Das muss man sich eben vorher überlegen, wenn man sich Langhaarkatzen nimmt, dann braucht man die Zeit. Picasso und Rasputin müssen sich erst einmal daran gewöhnen, dass Pflege zum regelmäßigen Tagesablauf gehört, mit der Zeit aber, so werden sie lernen es zu genießen.
 
Die Stammbäume der beiden habe ich im neuen Zuhause abgegeben. Diese sind für die neuen Besitzer uninteressant und kommen in die Schublade. 
Ich bin wirklich beeindruckt von diesem Ehepaar, das einen kleinen Hauskater wollte und dann mit zwei total verwahrlosten Persern nach Hause fährt und selbst nichts außergewöhnliches dabei findet. Die Eheleute Weiser sind heute Mitglied unseres Vereines und aus den beiden Persern sind regelrechte Prachttiere geworden.
 
Gabriela Kelterbaum - Februar 2000
 

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